An dem Abzweig zum MIrusha Wasserfall und Canyon fuhren wir zunächst vorbei. Nicht weil wir die Zufahrt nicht gesehen hätten, sondern weil dort drei Reisebusse parkten und es ein Schild mit irgendeiner albanischen Aufschrift gab, auf dem Busse und LKW durchgestrichen waren.

Wir hielten an der nächsten Möglichkeit am Seitenstreifen und sondierten die Lage. Kaum das wir dort standen, fuhren die drei Busse an uns vorbei. Okay, wir drehten und sahen uns das Schild von nahem an und entschieden, dass es für uns als Camper vertretbar ist, die geschotterte Straße entlang zu fahren.


Die Straße windet sich an einem kleinen Fluss entlang. Am Ende des Weges befindet sich die Möglichkeit auf einer Grünfläche zu parken. Die Zufahrt war mit Schlammlöchern versehen, was uns natürlich nicht davon abhielt dort zu parken.

Wir waren gerade dabei unseren Mittagssnack zuzubereiten, als ein Typ erschien. Mit wackelndem Zeigefinger (so nach dem Motto „Nein, nein, nein“) kam er auf uns zu. Da er weder Deutsch noch Englisch sprach konnten wir mit seinem Finger-Zeig wenig anfangen. Dürfen wir hier nicht stehen? Dachte er der Müllhaufen auf der anderen Seite wäre von uns? Er zeigte uns dann noch eine leere Dose, was uns vermuten ließ, dass er Metall sammelt. Aber damit konnten wir nicht dienen. Er hielt uns noch ein paar Münzen hin, die er uns bestimmt nicht geben wollte. Wohl eher umgekehrt. Doch davon ließen wir uns nicht beirren.


Das ganze Verhalten hielt Frank dann jedoch davon ab zusammen mit mir zu dem Mirusha Wasserfall zu gehen, so dass ich allein los zog. Den ersten Wasserfall erreichte ich ruckzuck. Von unserem Platz aus konnten wir auch schon das Rauschen hören. In ein großes Becken floss das Wasser. Eine große gelbliche Felswand schloss sich dem an.

Oberhalb war bereits der zweite Wasserfall zu sehen. Insgesamt soll es sechs Wasserfälle geben, was ich aber nur von einer Wikiloc-Beschreibung wusste. Falls es auf eine der vielen Informationstafeln niedergeschrieben stand, wusste ich es mangels albanisch Kenntnissen nicht.

Zwei kleine Bars oder Cafes befanden sich beim ersten Wasserfall. Das linke hatte geöffnet und eine Familie saß dort. Ich war gerade dabei das zu schauen, wie der Weg weiter verläuft, als ich deutsche Stimmen hinter mir hörte. Die Familie hatte sich auf den Weg gemacht, doch während die Frau dann doch nicht mit ging, folgte ich dem Vater und der Tochter.



Gleich zu Anfang waren Sprossen in den Felsen geschlagen worden. Das ging ja schon spannend los. Vielleicht sollte ich an dieser Stelle direkt erwähnen, dass auf dieser Wanderung freie Hände benötigt werden, weil es mehrere Kletter-Passagen gab.

Um zum zweiten Wasserfall zu gelangen, musste ich ein Stück den Felsen hoch. An Stahlseilen konnte ich mich festhalten. Der Weg führte am Rande des Felsens entlang (wieder gab es ein Seil zum Festhalten). Und dann hatte ich auch schon den zweiten Wasserfall erreicht. Es war deutlich zu erkennen, dass zu gewissen Zeiten der Strahl viel breiter ist. Jetzt waren die trockenen grün-gelblichen Ablagerungen sichtbar.



Eine etwas abenteuerlichere Kletterpartie (Sprossen und Stahlseil) führten mich zum dritten Wasserfall, der eher klein und beschaulich aussah.

Über ausgelegte Metallplanken und dann am Felsen entlang (das Stahlseil ist unverzichtbar) ging der Weg weiter. Von oben war der dritte Wasserfall zu sehen und vor mir tauchte eine stabile Brücke auf. Diese überspannte einen Teil des Mirusha Canyon. Links, in den Canyon hinein, war ein Wasserfall zu erkennen.

Nachdem der Vater mit seiner Tochter von der anderen Brückenseite zurückgekehrt war, ging ich über die Brücke. Zwar gab es zur linken wieder in den Felsen geschlagene Sprossen, doch ob der Weg dort wirklich weiter führt oder ob es oberhalb des Canyon vielleicht einen anderen Weg gegeben hätte? Wikiloc half mir da nicht weiter (ich war jetzt ja eh offline), Karten-Gockel wusste eh nicht bescheid und auch Maps.Me war keine große Hilfe.



So allein wollte ich nicht testen, ob die Sprossen wirklich um den Felsen weiter verlaufen würden. Also ging ich wieder über die Brücke zurück. Beim dritten Wasserfall legte ich noch einen Abstecher ein, um zu schauen, ob es oben rum einen Weg gibt. Doch der Weg, der den Felsen hinauf führt, sah nicht wirklich so aus, als wenn er viel begangen wird. Also drehte ich lieber um.

Vater und Tochter holte ich wieder ein und überholte sie. Wieder am ersten Wasserfall angekommen unterhielt ich mich mit der Frau und ging mit der Familie dann das kurze Stück zurück zu den Fahrzeugen.


Dort war dann auch wieder der Dosen-Sammler. Von der Frau erfuhr ich, dass sich ihr Mann mit ihm unterhalten hatte, und dass es ihm finanziell nicht schlecht gehen soll. Der Dosen-Sammler erzählte dann noch (der Familienvater übersetzte es), dass aus der Höhle, die von dort wo wir standen, gut sichtbar war, eine Frau in die Tiefe gestürzt wäre, nachdem sie vorher gestolpert war. Außerdem haben die Serben im Kosovo-Krieg Menschen an den Füßen festgebunden und dann mit einem Seil aus der Höhle heraushängen lassen, so dass diese von anderen Serben als Zielscheibe verwendet wurden. Was für eine grausame Geschichte, die sich hier zugetragen hat.

Außerdem erfuhr ich, dass es bereits zu Beginn des Jugoslawienkriegs (1992 – 1995) auch im Kosovo Kriegsverbrechen stattfanden. Massengräber wurden ausgehoben, die Leute darin verscharrt und wieder Erde drübergefahren, so dass es so aussah, als wenn nie was gewesen wäre. Erst 1998/1999 gab es dann den richtigen Kosovo-Krieg.

Zudem erzählte der Familienvater mir, dass die heute 30 bis 50-jährigen zumeist Deutsch sprechen, weil sie während des Kosovo-Krieges in den deutschsprachigen Raum flüchteten. Die ältere Generation spricht hingegen kein Deutsch oder Englisch. Und die Generation der um die 30-jährigen hatte kein Englisch in der Schule bzw. fand während des Jugoslawien-/Kosovo-Kriegs (bis zu Beginn des neuen Jahrtausends) kein oder kaum Schulunterricht statt, so dass diese Menschen kein Englisch in der Schule gelernt haben. Also war es nicht verwunderlich, dass der junge Mann in Gjakova, mit dem ich zu tun hatte, als ich das Handy gefunden hatte, kein Englisch sprach. Vermutlich kommt er aus der Generation, die Kriegsbedingt keinen (Englisch)Unterricht hatte.


In den drei Tagen, die wir nun im Kosovo sind, haben wir schon jede Menge über Land und Leute erfahren.

Ich verabschiedete mich von der Familie und schickte Frank los, die Mirusha Wasserfälle erkunden. Natürlich war Frank so abenteuerlustig, dass er hinter der Brücke links über die Sprossen hinabstieg und sich weiter am Canyon entlang hangelte. War wohl alles ganz entspannt. So sah er den vierten Wasserfall von nahem und hangelte sich auch noch bis zum fünften Wasserfall. Wobei er ein wenig springen musste. In der Höhle roch es wohl sehr unangenehm und auf den Weg zum sechsten Wasserfall (es ging wohl etwas in Rückenlage über den Felskante nach oben) verzichtete er dann und trat den Rückweg an.


Wir fingen noch kurz die letzten Sonnenstrahlen ein, die uns auf der Wiese erreichten und bereiteten dann ein frühes Abendessen zu. Heute gab es Cordon Bleu mit Krautsalat und Brot. Weil’s so schattig war speisten wir in der Doka.

Eine dürre Hündin (es waren alle Rippen zu sehen) mit wehenden Zitzen, durfte sich über drei Schälchen Futter freuen.

Tbc


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