Charly genießt die Wärme

Nach dem Abendessen wollten wir noch einen Blick in das verlassene Gebäude werfen, welches sich nur wenige Meter von unserem Übernachtungsplatz entfernt befand. Zuvor hatte ein Streuner-Hund zwei Männer angebellt, die nur über die Straße gingen. Wir waren gespannt, was der Hund machen würde, wenn wir das Gelände betreten. Der Hund sah uns, und es passierte … nichts.

Als wir uns dem Gebäude näherten hören wir ein Fiepen, Winseln, … Unsere erste Vermutung, dass der Hund Junge in dem Gebäude hat, bestätigte sich leider nicht. Stattdessen fanden wir einen Welpen, der in einem eckigen, vielleicht einen Meter tiefen Schacht saß.

Zwischen das Winseln schob sich auch ein Knurren. So ganz vertraute er uns nicht. Dummerweise befanden sich in dem Schacht zwei Rohr-Abgänge. Während Frank zwei lange Bretter aus der Hausruine holte, um dem Hund eine Rampe zu bauen, versteckte sich der kleine Hund in einem der Rohre und kam erstmal nicht raus.


Dann ließ er sich mal kurz blicken und verschwand sofort wieder. Unsere Hilfestellung war ihm wohl suspekt. Frank ging zurück zu Allmo, um etwas von der uns nicht schmeckenden Wurst zu holen. Wir warfen ein paar Stücke in das Loch hinein, doch der Welpe ließ sich nicht mehr blicken.


Mit einem jungen französischen Pärchen, die mit einer kleinen Feuerwehr unterwegs sind, kamen wir noch kurz ins Gespräch. Vor ein paar Tagen hatten wir uns schon in Kroatien an einem Lost Place gesehen.

Da von dem Hund nichts mehr zu sehen und zu hören war, warfen wir noch schnell einen Blick in das Gebäude und gingen dann zu Allmo zurück. So ganz ließ uns die Sache jedoch nicht los und wir stapften im Dunkeln, mit nur einer Taschenlampe bewaffnet, zum Hund zurück.

Zu sehen war nichts, aber es war ein leises „Grunzen“ zu vernehmen. Also saß der Hund immer noch in dem Rohr. Von den Fleischstückchen fehlte eins. Immerhin schien er nicht fest zu sitzen. Die Bretterrampe, war allerdings wohl nicht das Richtige. Eine Treppe musste her. Also sammelte Frank herumliegende Steine ein, die ich in dem Loch zu einer Treppe aufbaute. Das war gar nicht so einfach. Zwischendurch kamen Geräusche aus dem Rohr. Aber mit gut zu reden, ließ sich der kleine Kerl einfach nicht blicken. Wir hoffen, dass er sich spätestens morgen, wenn es hell wird, raus traut und den Weg über die Treppe nach draußen schafft. Nochmal gucken gehen wollten wir dann doch nicht.

Dienstag, 25. Oktober 2022


Noch vor dem Frühstück gingen wir nach dem kleinen Hund gucken. Leider saß er immer noch in dem Schacht und verkroch sich sofort ins Rohr, als er uns erblickte. Wir nahmen unsere gestern im Dunkeln gebaute Treppe auseinander und bauten sie noch mal neu. Denn nachts war mir eingefallen, dass in der Hausruine ein Getränkekasten stand. Diesen nahmen wir als Grundstein und bauten eine neue Treppe. Auf die Stufen verteilten wir Stücke der nicht schmeckenden Wurst, in der Hoffnung, dass der kleine Kerl Stufe für Stufe den Weg nach oben findet.

Nach dem Frühstück ging ich noch mal gucken. Natürlich hatte der Kleine es nicht geschafft sich den Weg nach oben zu erkämpfen. Und schwupp, war er im Rohr verschwunden, als er mich erblickte. So würde das nie was geben. Und mein erklärtes Ziel war es, nicht eher zu fahren, als der Hund aus dem Schacht heraus ist.

Ich schnappte mir eine Leiste und hatte die Idee, diese vor das Loch zu halten, sobald der Hund rausgekrochen kommt. Leider war die Umsetzung in der Theorie nicht so einfach. Zwar robbte der kleine Kerl kurz drauf rückwärts aus dem Rohr heraus, war jedoch schneller wieder drin, als ich den Zugang versperren konnte. Na toll!



Ich wartete und wartete und es geschah nichts. Mehrfach lief ich zurück zu Allmo und wieder zum Loch. Auch Frank kam zweimal mit. Und tatsächlich, wir hatten das Glück, das Frank schnell genug die Leiste vor das Loch halten konnte. Wobei der Kleine versuchte sich noch daran vorbeizuschieben. Ich sprang in den Schacht, was aufgrund der Steintreppe nicht mehr so einfach war. Außerdem hatte ich Sorge, dass der Hund mich beißen könnte und da Eile geboten war, konnte ich die dicken Handschuhe nicht mehr anziehen. Inzwischen war es schon fast 11 Uhr.

Unter viel Gejaule (der kleine Kerl hatte mächtig Angst vor uns), setzte ich ihn oben auf den Boden. Schnell rannte er zur Mauer der Hausruine und wollte sich hinter zerbrochenen Glasscheiben verstecken.

Auch daraus befreiten wir ihn, hielten ihn fest und fütterten ihn mit Wurststückchen. So langsam gewann er etwas vertrauen und ließ sich streicheln. Plötzliche Bewegungen versetzten ihn sofort in Schrecken. Anscheinend war er keinen Umgang mit Menschen gewöhnt.

Frank deckte den offenen Schacht mit den Brettern, einem Netz und Steinplatten ab. Aber für den zweite, noch tieferen Schacht hatten wir kein Material mehr. Der kleine Kerl schaffte es auf den ersten Metern in seiner wiedergewonnenen Freiheit sich in Ästen von Unkraut zu verfangen und blieb zwischen Mauer und Ast stecken. Was für ein Tollpatsch.

Wir setzten ihn aus dem Gefahrenbereich raus und hielten nach dem Hund Ausschau, der uns gestern beobachtet hatte. Heute war dieser nicht zu sehen und wir zweifelten daran, ob es sich dabei um Mutter oder Vater von dem Welpen hätte handeln können. Weit und Breit war kein Hund zu sehen.

Der kleine Kerl bahnte sich seinen Weg durch das hohe Gras, wobei er mit seinen kurzen Stummelbeinchen mächtig ins Stolpern geriet. So was Kleines, Unbeholfenes können wir doch nicht so zurück lassen.

Daher nahmen wir den Kleinen die paar Meter mit rüber zu Allmo. Emma zeigte wenig Interesse an dem kleinen Fellknäul. Als sie fauchte wich der Welpe erschrocken zurück. Auf Emmas Knurren antwortete er auch mit ganz leisem Knurren. Wobei es eher ein Grummeln war. Emma ließ sich nicht davon überzeugen, dass das ein neuer Spielkamerad oder Kuschel-Buddy werden könnte. Sie nahm reiß aus und hüpfte in Allmos Doka.

Der kleine Kerl, den ich zwischenzeitlich „Charly“ nannte, kuschelte sich an mich. Er genoss die Sonne und die Streicheleinheiten. Zumindest letzteres wird er bisher nie bekommen haben. Frank kam auf die Idee, ihn mit einem nassen Zewa das Fell zu putzen, da er ein wenig verklebtes Fell hatte und auch die Schmeißfliegen um ihn herum schwirrten. Das Wasser, was wir ihm vor die Nase setzen, schlabberte er begierig auf (aber erstmal musste er sich mit einem Napf vertraut machen). Ich wollte ihn dann ganz Baden und Frank brachte mir die alte Spülschüssel mit etwas von unserer biologischen Seife.

Charly war jedoch so durstig, dass er das Seifenwasser schlabbern wollte. Das war also eine schlechte Idee. Mit einem Waschlappen ging es ihm dann auf dem Rasen ans Fell. Vor dem Handtuch fürchtete er sich zunächst, ließ sich dann aber abtrocknen.

Nach dem Bad gab es noch etwas von der Hähnchenbrust-Wurst. Während ich die Badesachen wegräumte schaute Charly sich den Allmo von außen an. Frank wies mich dann darauf hin, dass der große Hund bei Charly wäre. Nase an Nase. Der große Hund rannte weg, Charly mit seinen kurzen Beinchen versuchte schnell hinterher zu hüpfen. Doch wo war der große Hund hin? Charly sah in nicht mehr und der große machte keine Anstalten näher zu kommen.

Ein wenig hilflos schaute Charly sich um. Bei meinem Versuch Charly zu dem großen Hund zu tragen, nahm dieser reiß aus. Ich war frustriert und traurig. Denn obwohl ich inzwischen Schock-Verliebt in Charly war, wusste mein Verstand, dass wir ihn nicht mitnehmen können. Um so mehr zerriss es mich, dass der große Hund nicht nochmal auf Charly zu ging.

Ich setzte Charly auf der anderen Seite der schmalen Fahrspur ab und entfernte mich etwas. Hilflos schaute sich der kleine Kerl um. Plötzlich näherte sich von der anderen Seite wieder der große Hund. Wir bewegten uns nicht und beobachteten was geschehen würde. Ein leichtes Beschnuppern (ja, der Charly roch jetzt noch Zitrone), ein Freudensprung und wieder rannte der große Hund los. Charly, mit den kurzen Beinchen kam natürlich nicht hinterher. Doch diesmal kam der große Hund zurück und wartete bis Charly Anschluss gefunden hatte.

Danach tollten sie über die Wiese und hatten ihren Spaß. Die kleine weiße Schwanzspitze von Charly stand aufrecht in der Luft. Auch wenn es (vor allem mir) uns schwer fiel Charly zurückzulassen, so hatten wir jetzt die Gewissheit, dass er nicht alleine ist, sondern sein großer Spielgefährte da ist und hoffentlich künftig besser auf den kleinen Tollpatsch aufpasst.

Mit einem weinenden Auge verließen wir unseren Übernachtungsplatz.

tbc

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