Barranco Hondo



Beim Frühstück eröffnete ich Frank, dass die für heute geplante Wanderung etwas mehr als 11 Kilometer lang wäre. Vielleicht könnten wir ein paar wenige Kilometer davon abkürzen und mit Allmo näher an den Startpunkt fahren. Aber das würde sich erst vor Ort zeigen. Seine Begeisterung über so eine lange Wanderung hielt sich in Grenzen. Vor zwei Jahren, auf unserer ersten langen Reise, erklärte er irgendwann, dass sechs Kilometer ausreichend wären. Alles darüber hinaus wären Qualen.

Erstaunlicherweise nahm er es ziemlich gelassen, dass eine etwa doppelt so lange Strecke ihm heute bevorstand. Ich rechnete mit sechs Stunden Wanderzeit, entsprechende Verpflegung packten wir ein.

Der Parkplatz/Startpunkt, den ich bei Karten-Gockel markiert hatte, wich von den bei Wikiloc markierten Startpunkten ab. Auf dem Weg passierten wir zunächst den Wikiloc Startpunkt. Am Seitenstreifen einer Kreuzung könnte man parken, doch auf der Zufahrtsstraße zu dem Kieswerk war nicht nur eine Schranke, sondern auch ein großes Schild, was jeglichen Zutritt auch für Personen untersagte. Daher fuhren wir zu dem Parkplatz weiter, den ich als Start markiert hatte.

Lustigerweise gab es keinen Tunnel für Fußgänger (außer so halb hohe für Wasser), der auf die andere Straßenseite führte. Doch die Straße war nicht stark befahren, so dass wir über die Leitplanken stiegen und so auf die andere Straßenseite gelangten. Dort ging es durch einen normalen Straßentunnel zunächst auf einer Schotterpiste entlang.

Nur wenige hundert Meter weiter war erneut dieses Schild neben der Straße angebracht, dass den Zutritt für nicht autorisierte Personen verbot. Diesmal ignorierten wir das Schild, denn irgendwie mussten wir ja zu unserem Ziel, dem Arco del Coronadero gelangen.

Zunächst folgten wir der Piste und dem Wikiloc Trail. Noch war der Weg wenig spektakulär, schließlich befanden wir uns nur auf einer Fahrspur. Wir passierten ein Gelände, auf dem ein alter Bus vor sich hin rostete. Eigentlich wollten wir uns den Bus aus der Nähe ansehen, doch einige bellende Hunde (die in einem Gebäude ohne Dach eingesperrt waren) hielten uns davon ab. Wenn das Gebiet von so vielen Hunden bewacht wird, gehen wir besser schnell zurück auf die Piste.

Wenig später sollte der Weg, kurz vor erreichen  einiger Gebäude des Kieswerks, links einen Hang hochführen, an den Gebäuden vorbei und dann weiter Richtung Norden. Wie um Himmels Willen war derjenige diesen Hang hinaufgekommen?



Wir gingen ein paar Meter zurück und schlugen den abenteuerlichen Weg durch’s Gelände ein. Zwischenzeitlich hatte ich einen anderen Wikiloc Trail herausgesucht, der diesem Weg entsprach. Man muss halt flexibel sein.

Wie gut, dass wir heute erstmals unsere festen Schuhe zum Wandern geschnürt hatten. Bisher waren wir immer in Treckingsandalen unterwegs, was ganz unproblematisch war. Doch vorgestern hatten wir beide abends Schmerzen an den Füßen und uns daher heute für feste Schuhe entschieden. Genau die richtige Wahl, denn bei dem holprigen Gelände lief es sich in festen Schuhen doch deutlich besser.

Bereits während der ersten zwei Kilometer verspürte ich einen leichten Schmerz im linken Knie. Wie ungewöhnlich. Normalerweise ist das rechte Knie das schlechtere.

Als wir die traurige Pfütze des Barranco de la Monta Berriel Stausees sahen, waren wir geneigt, nach unten abzubiegen und durch das Barranco in Richtung Arco del Coronadero zu laufen. Doch dies würde bedeuten, dass wir zunächst weiter bergab, Richtung Stausee, und dann auch wieder alles berghoch laufen müssten. Nein, dass muss nicht sein. Also drehten wir wieder um und folgten dem Weg von Wikiloc.

 Nach ein paar Kurven auf der Schotterpiste, ging es geradeaus mit leichter Steigung auf ein paar höhere Felsen zu. Ich erklärte das Vorhaben zum Arco zu laufen für gescheitert. Ich würde nur noch bis zu der Kante laufen, um einen Blick auf die hohen braunen Felsen zu werfen und das wär’s dann.

Nach 3,25 Kilometern hockte ich, fertig mit der Welt, auf einem Stein, sah mir die Felsen des Canyons vor uns an und entschied keinen Meter mehr laufen zu wollen. Nun gut, außer die 3,25 Kilometer wieder zurück. In Summe also knapp über 6 Kilometer, was dann ja auch mit Franks Vorstellung wie lang eine Wanderung sein darf, übereinstimmte.

Unten auf einer Piste im Barranco sahen wir vier Menschen gehen, die wohl auch den Arco als Ziel hatten. Es führen also verschiedenste Wege ans Ziel.

Während wir also dort in der Sonne saßen (es war inzwischen richtig warm geworden) und ich mir die Fotos vom Arco und vom Barranco Hondo ansah, war es mit meinem Vorhaben wieder umzudrehen schnell dahin. Nein, dass wäre zu ärgerlich und irgendwie wird das mit dem Knie schon klappen.

Also folgten wir weiter der Piste, die uns irgendwann vorbei an alten Wasserleitungen führte. Die Wasserläufe waren sogar von innen betoniert worden, damit das (ja was?) Regenwasser, Tauwasser, … auch gut fließen kann.

Auf dem breiten Bergrücken auf dem wir uns befanden, blickten wir rechts in den Barranco Hondo und links in den Barranco de la Monta Berriel. Eigentlich solle es einen Wassertunnel geben, der die beiden Barrancos miteinander verbindet. Doch der Punkt bei Karten-Gockel stimmt entweder nicht oder wir waren nicht weit genug nach links gelaufen. Das war uns aber auch egal.

Im weiteren Verlauf wurde der Weg dann schmaler und aus der befahrbaren Piste wurde ein Trampelpfad. Von den vier Leuten, die wir vorhin von oben gesehen hatten, erblickten wir nur drei beim Aufstieg auf einen Hügel. Später sahen wir, dass eine Frau zurückgeblieben war. Wir unterhielten uns kurz mit ihr und erfuhren, dass sie aufgrund einer Verletzung der Achillessehne noch nicht so gut zu Fuß ist. Außerdem wäre sie schonmal beim Arco gewesen.

Auf halbem Weg den Hügel hinauf legten wir eine Verschnaufpause ein. Es ging aber auch steil berghoch und die Sonne machte es auch nicht gerade leichter. Erstaunlicherweise bereitete mein Knie mir keine weiteren Schmerzen.



Der Arco del Coronadero versteckte sich dann hinter ein paar Felsen und sah aus unserer Perspektive eigentlich wenig spektakulär aus. Links neben dem Arco bildet sich so langsam ein zweiter Felsbogen. Was ich zum Glück nicht wusste, als ich darüber lief, um den Arco zu fotografieren. Ein Weitwinkel wäre von Vorteil gewesen, was wir aber nicht mitgeschleppt hatten. Dadurch das wir so nah am Arco waren und sich dieser wenig vom Rest absetzte, fehlte irgendwie dieser „Mega-Wow-Effekt“.

Auch wenn es für eine Mittagspause von der Zeit her zu früh war, es war noch keine 12 Uhr, gönnten wir uns dennoch unsere belegten Brote. Nach ungefähr 5,5 Kilometern anstrengender Wanderung hatten wir uns eine Stärkung mehr als verdient.

Vom Arco aus versuchte ich den Weg hinunter und das Barranco Hondo ausfindig zu machen. Doch der Weg endete abrupt. Dahinter befand sich eine Fläche mit grauem Geröll. Ob der Weg hinunter ins Barranco bei einem Felsabgang unpassierbar wurde?



Wir blickten etwas weiter westlich vom Arco in den Canyon hinunter, waren, was den Weg hinunter betraf, jedoch nicht schlauer. Frank entschied, dass er sich das anschaut und mir dann bescheid gibt. Und siehe da: Der Weg ging tatsächlich weiter. Allerdings eher weiter rechts gelegen, so dass wir das von oben nicht sehen konnten.

Also begab ich mich auch an den Abstieg ins Barranco. Der Weg, der von oben sichtbar war, war einfach zu begehen und dann begann die Kraxelei über kleine Felsen bzw. mit größerem Versatz. Frank ging voran, um den richtigen Weg zu suchen. Ich schlich hinterher. Meine Knie machten sich zwar nicht bemerkbar, aber ich wollte auch keine falsche oder unüberlegte Bewegung riskieren. Entsprechend langsam war ich unterwegs. Angst oder Sorgen, was den Weg betraf, hatte ich absolut keine. Zwischendurch bot mir Frank seine Hand an, was ich ablehnte, stattdessen wollte ich neue Knie, aber die konnte er mir nicht bieten. Dumm gelaufen!

Gefühlte Ewigkeiten dauerte es die wir benötigten, um dem Barranco Hondo näher und näher zu kommen. Zwischendurch warf ich einen Blick nach hinten und stellte fest, dass absolut nicht zu erkennen war, wo der Weg langführte. So versteckt war dieser schmale Abstieg zwischen Steinen und Sträucher. Zum Ende hin wurden die Felsen dann größer und wechselten die Farbe von hellgrau nach braun. Die Blicke in den Canyon waren die ganze Zeit über unglaublich beeindruckend. Aber wir waren ja mehr damit beschäftigt auf den Weg zu schauen, als dass wir die Umgebung bewundern konnten. Und dann war es endlich vollbracht: wir standen im trockenen Flussbett. Um uns herum größere und kleinere rundgewaschene Steine. Die Kraxelei hatte, zu meiner Begeisterung (Ironie), noch kein Ende.



Im Flussbett war es gar nicht so einfach, den richtigen Weg zu finden. Wobei die Laufrichtung ja klar war. Verloren gehen konnten wir also nicht. Es war nur die Frage wie einfach oder kompliziert der Weg sein würde. Langweilig wurde es keinesfalls. Nur ist der Weg eher was für Menschen mit gesunden Knien. Aber es half ja nichts.

Wenn ich die Knie-Problematik ausblende, dann war der Weg im Barranco Hondo ein spannender, abenteuerlicher, abwechslungsreicher und interessanter Weg. Die hohen Felswände um uns herum verliehen uns ein leichtes Gefühl im wilden Westen unterwegs zu sein.



Die Felswände hatten des Öfteren Löcher, wo wir uns nach den vielen Höhlenwohnungen, die wir schon auf Gran Canaria gesehen hatten, fragten, ob diese Löcher natürlich entstanden waren, oder ob es sich um Höhlenwohnungen handelte. Vermutlich trifft beides zu.

Frank suchte uns also den Weg durch das Flussbett. Immer wieder warfen wir einen Blick nach rechts oben, konnten den Arco jedoch nicht erkennen. Vermutlich verpassten wir einfach nur die richtige Stelle. Denn von unten aufgenommene Fotos gibt es. Aber egal. Mit etwas Abstand und in der Rückschau betrachtet erhebt sich der Fortaleza Canario, ein Felsen, der einer Festung gleichen soll, majestätisch im Barranco. Wobei Frank meinte, dass das wie der Kölner Dom (wegen der zwei Türme) aussehen würde. Recht hat er.

Ganz trocken war das Flussbett dann doch nicht. Irgendwann entlang des Weges passierten wir kleine Pools (also winzig kleine Becken) mit etwas unappetitlich aussehenden Wasser. In einem der Tümpel saßen tatsächlich ein paar Frösche.

Und beim Rückblick entdeckten wir zweimal über auf den Felsen weiße Pfeile, die die Richtung wiesen.



Die Ausblicke und Rückblicke in den Canyon waren sehr beeindruckend. Wir konnten uns kaum satt sehen, zwischen all der Kletterei. Irgendwann befand sich rechts vom Barranco ein Trampelpfad und ich freute mich schon, dass das Klettern nun ein Ende hat. Doch die Freude währte nicht lange und schon standen wir wieder im Flussbett zwischen den großen Steinen.

Ab dem stillgelegten Strommast (welchen Zweck auch immer der an der Stelle hatte), ging es dann über eine Fahrspur (die schon ewig nicht mehr genutzt wurde), weiter in Richtung des Hauptbereichs vom Zementwerk.

Der schmale Barranco öffnete sich zum Ende hin und dann lag auch schon der Geruch von feuchtem Zement in der Luft. Anstatt über das Betriebsgelände zu laufen (was ja auch eigentlich nicht erlaubt ist), hielten wir uns weiter im Flussbett.

Durch zwei Tunnel erreichten wir immerhin schonmal die richtige Straßenseite und mussten dann noch ein Stück an der Straße entlang zu Allmo laufen.

Nach 11,33 Kilometern bzw. 5:20 Stunden kamen wir völlig erledigt bei Allmo an. Erst auf dem letzten Kilometer machte sich mein linkes Knie wieder bemerkbar. Und Frank verspürte nach über 9 Kilometer leichte Schmerzen am Fußballen. Alles in allem haben wir alles wunderbar gemeistert. Der Weg durch das Flussbett hat die Strecke aufgelockert und wäre ohne lädierte Knie für mich noch schöner gewesen. Dadurch wurde die lange Distanz aber aufgelockert und die Kulisse mit den Felsen tat ihr übriges dazu.

Es bleibt anzumerken:

Viele Wege führten zum Arco und das Barranco Hondo ist ein absolutes Muss. Ich bin froh, dass wir erst am Arco waren und dann hinter in den Barranco abgestiegen sind.

Als wir vom Arco den Weg hinunter in das Flussbett gelaufen waren, stellten wir unten fest, dass wir den umgekehrten Weg (von unten nach oben) nie im Leben gelaufen wären, weil der Weg absolut nicht zu erkennen war. Wobei er von oben auch nicht zu erkennen war, aber wir wollten ja unbedingt nach unten in den Canyon. Der Anreiz war also sehr groß, den Weg nach unten zu finden. Nach oben wäre das Verlangen wahrscheinlich weniger groß gewesen.


Im Barranco selbst hätte ich vermutlich nach den ersten 500 Metern gestreikt, wenn wir in entgegengesetzter Richtung gelaufen wären. Nur um den Canyon zu sehen, wäre mir die Kraxelei bis weit in den Canyon hinein, es vermutlich nicht wert gewesen. In unserer Laufrichtung war der Anreiz Allmo zu erreichen so unsagbar groß (alles andere hätte ja auch bedeutet wieder zurücklaufen zu müssen), dass es (wären die Knie nicht so schwach) sogar richtig Spaß gemacht hätte.

Um 14 Uhr (da hatten wir etwas über 9 Kilometer zurückgelegt) kam uns eine Familie entgegen. Wie weit wollten die wohl noch laufen? Aber wir sind ja auch kein Maßstab, was Schnelligkeit anbelangt.

Ansonsten sahen wir auf dem Weg nur noch einen „Höhlenmenschen“. Ein Herr, bepackt mit Einkaufstaschen, der uns in der Nähe von dem Strommast entgegenkam und vermutlich in einer der Höhlenwohnungen leben muss. Wo sollte er sonst auch hin wollen? Grüßen konnte er nicht, starrte nur stur auf den Boden.

Der Rundweg mit dem Arco del Coronadero und dem Barranco Hondo ist eine schöne, wenn auch lange und anstrengende Wanderung. Aber absolut empfehlenswert, wenn man in der entsprechenden Verfassung ist, solche Strecken zu laufen.

Auf dem Parkplatz am Playa el Cardon verschnauften wir kurz. Zum Übernachten kam der Platz aus zwei Gründen nicht in Frage. Zum einen war das Parken während der Nacht verboten (ein Schild wies unmissverständlich darauf hin) und die Autobahn war zu laut.

Spontan entdeckte ich bei Karten-Gockel einen Platz in direkter Wassernähe, der nicht bei P4N vermerkt war. Dieser lag nur 3 Kilometer entfernt bei Bahia Feliz. Wir wollten einfach nur irgendwo ankommen und nichts mehr tun. Darüber vergaß ich ganz, dass wir von unserem Wanderparkplatz noch einen Abstecher zu den alten Salzgärten hätten machen können. Es ist, wie es ist!

Tbc

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